
So haben Busse und Bahnen gegen das Auto keine Chance
Ein Beitrag von Andreas Knie
Mit Milliarden will der Staat Busse und Bahnen aus der Coronakrise retten und so auch Alternativen zum Auto stärken. Doch der öffentliche Verkehr ist in jetziger Form nicht zukunftsfähig, findet Transportexperte Andreas Knie – und fordert radikales Umdenken.
Die Corona-Pandemie hat für den öffentlichen Nahverkehr gravierende Folgen. Unternehmen verzeichnen Fahrgastverluste von mehr als 80 Prozent. Nun soll ein Schutzschirm über Busse und Bahnen gespannt werden, der Bund stellt den Ländern im Konjunkturpaket rund 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Betriebsverlusten bereit. Für die Bahn gibt es sechs Milliarden Euro frisches Eigenkapital.
Das klingt wunderbar. Doch wird womöglich das Falsche gerettet?
Angesichts von Staus, Stress und steigenden CO2-Emissionen rufen viele Fachleute und Politiker nach einer Verkehrswende. Die Dominanz des privaten Autos soll zurückgefahren, Busse und Bahnen attraktiver werden. Diese Forderungen stehen seit Jahrzehnten auf der Agenda, doch in den vergangenen Jahren hat der Staat tatsächlich zusätzliche Milliardensummen in den öffentlichen Verkehr gesteckt, Fahrzeuge angeschafft, Streckennetze erweitert.
Doch Busse und Bahnen haben ihre Anteile am Verkehrsmarkt seit vielen Jahren nicht wirklich steigern können. Der Fernverkehr verharrt bei rund acht Prozent und der ÖPNV bleibt stabil unter zehn Prozent. Der öffentliche Verkehr wurde nur dort vermehrt genutzt, wo die Städte wuchsen. In kleineren Kommunen gehen die Fahrgastzahlen sogar zurück. Auf dem Land sind mehr als 90 Prozent der Fahrgäste Schüler und Auszubildende.
In der vergangenen Woche sah sich der Europäische Rechnungshof genötigt, die bisherigen Förderstrategie für den öffentlichen Verkehr gerade auch in Deutschland zu rügen. Mit klaren Worten drückte die Behörde aus, was offensichtlich ist: Es hat alles nichts gebracht, die Zahl der zugelassenen Autos steigt jedes Jahr um bis zu drei Prozent.
Mehr vom Gleichen scheint beim öffentlichen Verkehr nicht zu helfen. Selbst in Berlin, der Stadt mit einem sehr guten ÖPNV werden nur 28 Prozent der täglichen Wege mit Bussen und Bahnen unternommen.
Dabei sind sich so gut wie alle einig. Die Zukunft der Mobilität kommt nicht ohne einen leistungsfähigen Verkehr mit Bussen und Bahnen aus. Großgefäße, die viele Menschen sehr effizient transportieren, sind für einen flüssigen Verkehr in den Ballungsräumen unerlässlich.
Doch jetzt kommt die Pandemie und deckt die Schwächen des ÖPNV gnadenlos auf. Wer die Wahl hat, favorisiert plötzlich doch wieder das Auto oder nutzt das Fahrrad, die Stammkunden zögern. Das Virus lässt individuellere Verkehrsmittel auf einmal deutlich attraktiver erscheinen.
Das alles zeigt: Für viele Menschen ist der aktuelle ÖPNV im Zweifel verzichtbar oder die zweitbeste Wahl. Als Rückgrat für die Verkehrswende taugt er deshalb leider nicht.
Busse und Bahnen waren wunderbare Dinge – vor der Erfindung des Autos. Außerhalb der großen Städte ist und bleibt der ÖPNV ein Angebot für die, die sich kein eigenes Fahrzeug leisten oder aus anderen Gründen nicht nutzen können. Ein ungeliebtes Kind der Autogesellschaft, dem keiner wirklich mit Herzblut begegnet.
Busse und Bahnen werden in der deutschen Tradition der Daseinsvorsorge zwar mit beträchtlichem Aufwand betrieben, aber eben nur bereitgestellt. Kunden kommen in dieser Welt nicht vor, die öffentlichen Mittel fließen, egal wie viel Menschen den Dienst tatsächlich in Anspruch nehmen. Keiner der Chefs der großen Nahverkehrsunternehmen, der selbst nicht Dienstwagen und privates Auto nutzt.
Statt des dringend benötigten Wandels hin zu einem digital vernetzten Angebot ist Stückwerk zu besichtigen. Immerhin, die Hamburger Hochbahn versucht es mit “Switch”, die BVG mit “Jelbi”, doch kaum einer kennt oder nutzt diesen Service. Die Deutsche Bahn droht, das erfolgreiche Angebot CleverShuttle einzustellen.
Der Gastbeitrag ist im Original nachzulesen unter www.spiegel.de