Nichts ist so, wie es scheint. Verkehr wird wieder politisch.

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Von Weert Canzler und Andreas Knie

Was draußen in Form von Straßen und Autos jeden Tag die Realität darstellt, war nicht immer so. Sie ist das Ergebnis politischer Entscheidungen, die zum Teil weit in der Vergangenheit liegen.

Die Regeln und die Bedingungen, wie wir miteinander verkehren und mit welchen Mitteln wir das tun, stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Bau der Autobahn A 100 mitten durch Berlin beruht auf Plänen des Jahres 1958. Das Straßenrecht und die Straßenverkehrsordnung, die praktisch immer das Auto fördern, stammen sogar aus den frühen 1930er Jahren. Ein Auto einfach im öffentlichen Raum abzustellen und umsonst als Dauerparkplatz zu nutzen, wurde erst 1966 legal. Der private Parkplatz auf öffentlichem Grund ist seitdem „Gemeingebrauch“.

Die Folgen sind gravierend: Wir haben in Deutschland derzeit mehr als 47 Millionen Pkw. Nach wie vor werden viel mehr neue Autos im Jahr zugelassen, als Kinder geboren werden. Dabei werden die Fahrzeuge laufend größer, schwerer und stärker. Die seit über einem Jahr-zehnt angekündigte Elektrifizierung hinkt gewaltig hinterher, die Subventionen für den Dieseltreibstoff und das Dienstwagenwesen führen zu Steuerausfällen in zweistelliger Milliarden-höhe. Der Flächenverbrauch durch den motorisierten Individualverkehr nimmt weiter zu.

Gleichzeitig kommt auch der Öffentliche Verkehr nicht voran. Busse und Bahnen sind nach wie vor das Angebot für diejenigen, die keine Alternative haben und meist nur das Überlauf-ventil für den sonst kollabierenden Autoverkehr. Ein moderner, kundenorientierter Öffentlicher Verkehr, der auch die letzte Meile in der Wegekette anbietet, ist weit und breit nicht in Sicht.

Und Corona? Es sind jetzt zwar weniger unterwegs und vieles wird hinterfragt. Ist jede Fahrt wirklich nötig, muss man fünf Tage in der Woche wirklich pendeln und kann man zumindest innerdeutsch auf das Fliegen nicht ganz verzichten? Bleibt das so oder gewinnt das Auto als Fluchtburg in der Pandemie sogar eine noch größere Bedeutung?

Es gibt also viele gute Gründe, über die ausbleibende oder eher die verschleppte und verhinderte Verkehrswende zu diskutieren und in die aktuelle verkehrspolitische Diskussion einzugreifen oder besser: sie überhaupt erst zu starten. Grundlage dafür ist eine fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung von Vergangenem, Gegenwärtigem und Zünftigem. Wer bewegt sich eigentlich warum und wieviel? Lassen sich Routinen ändern? Und wenn ja, wie? Fragen, die auf Basis empirischer Forschung und experimenteller Intervention beantwortet werden sollen.

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