Der E-Auto-Boom: Ein Kind vieler Eltern

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Ein Gastbeitrag von Daniel Berthold, Wolfgang Schade und Christian Scherf

 

 

 

 

 

 

Daniel Berthold und Christian Scherf sind Mitarbeiter bei M-Five, einem unabhängigen Thinktank unter der wissenschaftlichen
Leitung von Wolfgang Schade. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf zukünftiger Mobilität und gesamtwirtschaftlicher Analyse.
Seit 2015 erarbeitet M-Five mit einem interdisziplinären Team in nationalen und europäischen Projekten Strategien zu Klimaschutz,
Verkehrs- und Industriepolitik sowie Innovationen und Geschäftsmodellen.

Mehr unter: www.m-five.de

 

Der E-Auto-Boom: Ein Kind vieler Eltern

 

Im Laufe des Jahres 2020 ist der Anteil von rein elektrisch betriebenen Pkw an den Neuzulassungen auf zeitweise über 10 Prozent gestiegen – eine enorme Steigerung gegenüber den vergangenen Jahren. Diese Entwicklung übertraf auch die Erwartungen einiger Insider. Der frühere BMW-Technik-Vorstand und Verbrennungsmotor-Enthusiast „Kolben-Klaus“ Fröhlich hat die aktuell erreichten E-Auto-Anteile erst 2030 erwartet. Wie kam es zu dieser beachtlichen Trend-Beschleunigung?

Was steckt hinter dem Boom?

Laut KBA-Daten wurden 2020 insgesamt 194.163 reine Elektro-Pkw neu zugelassen (sowie etwa genauso viele Plugin-Hybride). Etwa die Hälfte davon wurden in den letzten drei Monaten des Jahres gekauft, in denen der Anteil reiner E-Pkw an den Neuzulassungen 8,4 Prozent bzw. 10 Prozent und im Dezember sogar 14 Prozent ausmachte. Die folgende Abbildung aus dem Mobilitätsmonitor des Wissenschaftszentrums Berlin und Thinktanks M-Five zeigt den entsprechenden Hochlauf. Dargestellt sind die beiden einwohnerreichsten Städte Deutschlands, Berlin und Hamburg.

Nach einer Stagnation im Jahr 2019 hat sich die Zahl der monatlichen Neuzulassungen reiner E-Pkw in beiden Städten seit Januar 2020 mehr als vervierfacht. Im Juni und Oktober lag die Zahl in Hamburg mit seinen rund 1,8 Mio. Einwohner:innen über dem Wert Berlins (knapp 3,7 Mio. Einw.). Doch was sind die Gründe für dieses rasante Wachstum?

Fördern alleine reicht nicht

Die verstärkte Förderung scheint ein plausibler Grund: Der staatliche Anteil der Innovationsprämie wurde zum 8. Juli 2020 verdoppelt. Entscheidend ist er aber nicht. Erstens wird ein Teil der Erhöhung durch die Rücknahme des Händleranteils am Bonus vermutlich kompensiert. Zweitens befeuern andere Gründe den Boom noch weitaus mehr: Die ermäßigte Dienstwagensteuer bietet Nutzer:innen weiterhin einen starken Anreiz. Auch die temporäre Absenkung der Mehrwertsteuer könnte die Neuzulassungen gefördert haben – sie stiegen kurz vor Ablauf der Absenkung im Dezember 2020 noch einmal deutlich an. Hinzu kommt ein deutlicher Anstieg der Zahl der angebotenen Modelle.

Vor allem resultiert der starke Anstieg der Absatzzahlen aber aus dem Druck, den die CO2-Standards auf die Hersteller ausüben. Die Unternehmen erreichen die Ziele der Standards durch den Absatz von E-Pkw, den sie in einem recht großen Rahmen steuern. Flotten- und Eigenzulassungen zählen ebenso dazu wie Rabatte für Gewerbekunden. Genau das haben die Hersteller in den letzten Monaten des Jahres 2020 getan.

Auch Gewerbe und Investoren denken um

Die zeitweise höheren E-Auto-Neuzulassungen in Hamburg – trotz der deutlich kleineren Bevölkerung als Berlin – könnten auf konzentrierte gewerbliche Flottenentwicklungen hindeuten, etwa durch die Firma Europcar, die ihren Deutschlandsitz in Hamburg hat. Gewerbliche Flotten können den Antriebswechsel maßgeblich vorantreiben, da viele Pkw zunächst gewerblich gekauft werden und später im privaten Gebrauchtwagenmarkt landen. Eine Umfrage unter Fuhrparkmanager:innen ergab, dass aktuell fast die Hälfte von ihnen mindestens teilweise auf einen alternativen Antrieb umgestiegen sind. Fast eine Drittel will sogar innerhalb der nächsten drei Jahre auf eine komplette Elektro-Flotte umstellen (Arval Mobility Monitor).

Die Entwicklung einiger Aktienkurse über die letzten Monate lässt außerdem ein Umdenken unter Investoren erkennen. Volkswagen mit seiner komplett auf batterie-elektrische Pkw ausgerichteten Strategie knüpft wieder an Kurswerte aus der Zeit vor der Dieselaffäre an. Die Ankündigung der „Neuen Klasse“ von BMW im März dieses Jahres hat die Märkte begeistert und zu einem Kurssprung geführt. „Investoren wollen kein Geld mehr in die alte Autowelt stecken“, schreibt die WirtschaftsWoche (26.03.2021). Damit ist es auch für Manager:innen aus finanziellen Interessen attraktiver, auf E-Mobilität zu setzen.

Verstärkendes Momentum

Hinter dem E-Auto-Boom des vergangenen Jahres stehen also mehrere Faktoren, die zusammengenommen für ein neues Momentum im Antriebswechsel sorgen. Ein deutlich verbessertes und ausgebautes Angebot von E-Fahrzeugmodellen sowie ein immer dichter werdendes Netzwerk an Ladeinfrastruktur machen E-Autos attraktiv für private und gewerbliche Kund:innen. Die aufgestockte Absatzförderung hat dazu beigetragen, aber der Erfolg reicht weiter: Inzwischen sind auch Investoren zunehmend angetan von der E-Strategie. Sobald all diese Akteure Kurs auf den Antriebswechsel nehmen, verstärken sie sich gegenseitig. Das jahrelange „Henne-Ei-Problem“, in dem sich mangelnde Rahmenbedingungen und schwacher Fahrzeugabsatz gegenseitig hemmten, könnte überwunden werden.

Der Boom ist also wohl keine vorübergehende Erscheinung, sondern wird sich weiter verstärken. Die wenigsten Kund:innen, die sich an ein E-Auto gewöhnt haben, wollen zurück zum Verbrenner-Schaltwagen mit umständlicher Bedienung dreier Pedale, Ruckeln und Stinken … und selbst die Premium-Verbrenner-Modelle kann man nicht zu Hause auftanken.

Weitere Inhalte zur Lage der Elektromobilität sind im Mobilitätsmonitor nachzulesen, der im Fachmagazin Internationales Verkehrswesen veröffentlicht wird.

 

Weitere Exemplare des Mobilitätsmonitors:

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