Bild: (Ausschnitt) Lakeblog/​Pixabay

Born to be Cabrio? Innen(ein)sichten einer Autofahrerin

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Ein Beitrag von Petra Schwarz

 

 

Petra Schwarz ist Referentin für Kommunikation
im Projekt Graefekiez der Forschungsgruppe Digitale
Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung.
Ihre bisherigen Arbeitsschwerpunkte und -interessen
liegen im Bereich Hörfunk und Fernsehen, Konzeption
und Moderation von Veranstaltungen, Kommunikations-
Coaching und Öffentlichkeitsarbeit.

 

 


Born to be Cabrio? Innen(ein)sichten einer Autofahrerin

Über die kognitive Dissonanz, die zwischen der Kenntnis von Umwelt- und anderen negativen Auswirkungen des Autofahrens und den Gründen liegt, die man selbst anführt, um das Auto als alternativlos zu sehen.

Als Studentin der Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität habe ich 1980 – nach zu DDR-Zeiten üblicher mehrjähriger Anmeldung – die Fahrschule absolviert. Und zwar genau dort, wo dies in Ost-Berlin damals alle taten: in der “Mila-Fahrschule” in der Milastraße 4 in Prenzlauer Berg. Sie war bis 1989/90 die einzige Fahrschule in der Hauptstadt der DDR und gehörte zum Volkseigenen Betrieb (VEB) Taxi Berlin, der wiederum dem VEB Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) unterstand. Seitdem, also seit mehr als 40 Jahren, fahre ich Auto. Täglich.

Warum? Diese Frage stellte ich mir lange nicht. Jetzt aber schon. Schließlich bin ich seit Mai 2023 in der Forschungsgruppe Digitale Mobilität als Referentin für Kommunikation im “Projekt Graefekiez” aktiv.

Schon seit Februar 2022 begleiten die Forscher:innen vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) den Versuch des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, im Graefekiez die öffentlichen Parkplätze deutlich zu reduzieren. Gleichzeitig werden neue Sharing-Angebote im Kiez platziert, um Alternativen zum eigenen Pkw-Besitz anzubieten.

Obwohl im Bezirk nur rund 180 Autos auf 1.000 Einwohner:innen zugelassen sind – und damit deutlich weniger als in anderen Innenstädten – und das Auto dort nur noch für acht Prozent der täglichen Wege genutzt wird, bleibt das eigene Fahrzeug das beherrschende Thema. Es ist selbst in der Großstadt immer noch tief im Bewusstsein der Menschen verankert, sein Nutzen und damit auch seine Attraktivität immer noch sehr groß.

Beim Projekt im Graefekiez geht es unter anderem darum, weniger (Privat-)Autos in den Straßen und an den Straßenrändern zu haben, um den Anwohnerinnen und Anwohnern mehr Raum zu geben. Ziel ist mehr städtischer Klimaschutz und auch mehr Bewegungsfreiheit für den Wirtschaftsverkehr. Ein Versuch, der bundesweit Schule machen soll.

Viele Gründe sprechen fürs Autofahren

Ich weiß sehr wohl um die kognitive Dissonanz, die zwischen der Kenntnis von Umwelt- und anderen negativen Auswirkungen des Autofahrens und den Gründen liegt, die man doch immer wieder selbst gerne anführt, um das Auto als alternativlos zu sehen. Aber ehrlich gesagt, die sehe ich gar nicht: Mein eigenes Auto bietet mir so viel Komfort und Freiheit und damit schlicht Lebensqualität, die ich bei keinem anderen Verkehrsmittel erkennen kann.

Ich fahre Auto, mein Auto. Und das sogar auch, wenn ich zu Terminen und Veranstaltungen in den Graefekiez fahre, wo ich bisher immer schnell einen Parkplatz gefunden habe.

Warum? Weil ich immer Auto fahre, und zwar:

  • aus Gewohnheit, denn: Auch mein Gehirn neigt dazu, Routinen zu bevorzugen, und scheut zusätzlichen Aufwand für neue Verhaltensweisen.
  • aus Bequemlichkeit, denn: Mein Auto steht eben immer genau dort, wo ich es brauche.
  • aus gesundheitlichen Gründen, denn: Ich bin nicht mehr besonders gut zu Fuß. Gelenk-Malaisen und Rücken erschweren die Bewegung per pedes.
  • aus Zeitgründen, denn ich komme – als meine Arbeitszeiten und -orte weitgehend selbst bestimmende Journalistin, Moderatorin, Coach, Öffentlichkeitsarbeiterin und Autorin – einfacher und schneller von A nach B und auch nach C. Oft fahre ich “anti-zyklisch” und genieße mein Durchkommen.
  • aus Gründen des Transportierens, denn: Für die Coachings brauche ich oft Kamera, Stativ, Lautsprecher-Box, Materialien, Laptop und was man sonst noch so für ein lebendiges Training benötigt.

Ja, und Autofahren macht mir – noch dazu im Cabrio – auch Spaß. Blauer Himmel, Sonne und in Berlin ziemlich frische Luft von März bis Oktober: Das ist mein ganz persönlicher Luxus.

Manchmal kommt ab und an auch das “Born to be Wild”-Feeling auf, obwohl dieser Steppenwolf-Song ja ein Freiheitsgefühl beim Motorradfahren assoziiert. Mir scheint: Es ist doch auch eine Art “Hymne” für das Autofahren – zumindest im Cabrio.

Auch und gerade die Kombination aus Bussen, Bahnen oder Fahrrad ist für mich undurchschaubar und stressig. Gäbe es irgendwann einen unkompliziert handelbaren, immer schnell verfügbaren und noch dazu preiswerten “Chauffeurdienst”, würde ich vielleicht darüber nachdenken, mein Auto abzuschaffen. Teure Taxis, auf die ich unter Umständen lange warten muss, sind da keine Alternative.

Der Nutzen ist konkret, die Folgen bleiben abstrakt

Natürlich ist mir bewusst, dass dies alles kein Zufall ist, sondern das Ergebnis einer jahrzehntelangen Politik mit dem erklärten Ziel der “autogerechten Stadt”. Es gibt gerade in Berlin viele große Straßen und meistens jede Menge Parkplätze, die noch dazu fast nix kosten. Für mich als Autofahrerin ist Berlin (fast) paradiesisch.

Klar ist: Einen Teil der Kosten meines Fahrens trägt die Gesellschaft. Dabei geht es auch um die sozialen Kosten, die entstehen können, wenn Menschen aufgrund von Lärm oder Luftverschmutzung erkranken und im schlimmsten Fall früher sterben. Ich als Autofahrerin finanziere mit der Kfz- und Mineralölsteuer dazu einen Anteil.

Dass das Fahren eines privaten Pkw ein Stück weit einem Privileg gleichkommt, ist mir durchaus bewusst. Wenn alle so denken und handeln würden, wäre auf den Straßen noch weniger Platz und mein Luxus schnell vorbei. Und ich weiß auch, dass mein Auto (im Kiez und darüber hinaus) Platz braucht, der anders sinnvoll genutzt werden könnte.

Aber diese Überlegungen zu den Folgewirkungen bleiben für mich momentan noch sehr abstrakt – der Nutzen des eigenen Autos hingegen ist sehr konkret. Und eben eine Gewohnheit, die seit mehr als 40 Jahren sehr gut funktioniert. Wenn aber nun Einschränkungen meiner lieb gewordenen Freiheit eintreten, wenn der Senat und die Bezirke mehr Raum für Fahrradfahrende und Fußgehende schaffen wollen, ich könnte nicht widersprechen.

Was würde ich tun, wenn – wie im Projekt Graefekiez geplant – die öffentlichen Parkplätze noch knapper werden und vielleicht bald ganz verschwinden? Was wäre, wenn nur noch sehr teure private Flächen verfügbar sind? Ich würde zahlen, zähneknirschend.

(Dieser Beitrag erschien ebenfalls in unserem Dossier das #Antiblockiersystem auf klimareporter.de)


 

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