
Weniger Parkplätze für mehr Sicherheit und Klimaschutz
Ein Beitrag von Anke Borcherding
Anke Borcherding ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).
Sie beschäftigt sich theoretisch und vor allem praktisch
mit Mobilitätsprojekten.
Weniger Parkplätze für mehr Sicherheit und Klimaschutz
Für den Erfolg der Verkehrswende ist die Reduzierung des privaten Autoverkehrs entscheidend. Dabei geht es nicht nur um den fließenden, sondern gerade auch um den ruhenden Verkehr, um das Parken im öffentlichen Straßenraum.
Soll durch Verkehrswende-Maßnahmen die private Fahrt oder das freie Parken auf öffentlichem Raum für Autofahrende eingeschränkt werden, werden gern die Gerichte bemüht, um das zu verhindern. Das klappt oft, aber nicht immer. Kommunen müssen deswegen genau wissen, was im rechtlichen Rahmen möglich ist, um Klagen standzuhalten.
Und was sie tun können, um dem Unmut mancher Leute zu begegnen. Dabei ist mittlerweile klar: Nicht so sehr das Fahrzeug ist das Problem auf öffentlichem Straßenland, sondern das Stehzeug. Und davon gibt es immer mehr und der Handlungsbedarf steigt.
Gefühle, Gewohnheiten und Gesetze halten Parkplatz-Rückbau auf
Der versiegelte öffentliche Raum ist sowohl für das Stadtklima als auch für das soziale Klima problematisch. In der Regel stehen private Fahrzeuge 23 Stunden auf versiegelten öffentlichen Flächen still.
Für eine künftig klimaresiliente Stadt sind sie damit ein Problem. Das Regenwasser kann nicht versickern, es gibt zu wenig Platz für Bäume und Pflanzen. Auch tragen die Autos selbst zur Erhitzung der Stadt bei. Sie sind zudem besonders für Kinder und Menschen mit Behinderungen eine Gefährdung.
Mittlerweile haben wir in Deutschland 49 Millionen private Pkw, 1,24 Millionen davon in Berlin. Es werden kontinuierlich mehr – aber sie legen immer weniger Kilometer zurück. In Berlin hat der Verkehr auf den meisten großen Straßen abgenommen: 2015 fuhr jedes Fahrzeug noch durchschnittlich über 14.000 Kilometer, 2022 waren es fast 2.000 Kilometer weniger.
Der Trend ist seit Jahren zu beobachten. Gerade in den verdichteten Innenstädten ist das Auto eher eine Mobilitätsreserve als ein Transportmittel. Alle diese Argumente sprechen gegen öffentliche Parkplätze. Aber Gefühle, Gewohnheiten und Gesetze stehen einem Rückbau im Weg.
Deshalb müssen Kommunen, die sich klimaresilient aufstellen wollen, im Fall der Straße, des privaten Autos und des Stellplatzes nicht nur ihre Maßnahmen rechtssicher und klageresistent konzipieren, sondern sich auch einem Trend – Auto besitzen statt Auto nutzen – entgegenstellen und sich mit einer oftmals lauten und unwilligen Bevölkerungsgruppe auseinandersetzen.
Beteiligung darf keine falschen Erwartungen wecken
Die Beteiligung von Anwohnenden, Gewerbe, lokalen Initiativen und Interessengruppen ist für die Akzeptanz und den Erfolg von Verkehrswendemaßnahmen wie dem Parkplatz-Rückbau wichtig. Die Kommunen sind hier in der Verantwortung. Durch Beteiligung erhalten die Kommunen wichtige Informationen zu den Problemlagen im Gebiet, Rückmeldungen zu den Wünschen und Ideen der Menschen und eine Einschätzung der Stimmung vor Ort.
Beteiligung sollte dabei aber nicht mit Mitbestimmung verwechselt werden. Die Legitimation erhält eine Verkehrswendemaßnahme nämlich durch einen Beschluss im politisch-parlamentarischen Raum, die Umsetzung liegt bei den jeweiligen Verwaltungen. In diesem Rahmen sind die Handlungsspielräume für die Beteiligung begrenzt. Eine offene Beteiligung, die Versprechungen macht und Erwartungen weckt, die nicht eingehalten werden können, ist wenig hilfreich.
Besser ist es, den Rahmen und die Themen der Beteiligung möglichst genau zu definieren und dann die Ergebnisse geprüft und verbindlich zu übernehmen. Es macht keinen Sinn, über die Umwandlung von Parkplätzen zu diskutieren, wenn die Bagger für den Umbau schon bestellt sind.
Die Kommunen sind gut beraten, wenn sie sich für den Prozess eine Unterstützung organisieren, die als Sparringspartner zwischen Kommune und Bevölkerung sachlich und kompetent vermittelt und die oft hitzige Lage in Verkehrsprojekten beruhigt. Das hilft allein schon wegen der begrenzten Kapazitäten bei den Verwaltungen.
Straßenrecht schafft Handlungsmöglichkeiten für Kommunen
Ganz wichtig ist der rechtliche Rahmen, mit dem sich Projekte der Verkehrswende auseinandersetzen müssen. Hier spielt die Straßenverkehrsordnung (StVO) eine leider prekäre und Fortschritte verhindernde Rolle. Seit Jahrzehnten ist das vor allem zu schützende Ding das Auto – nicht der Mensch, nicht die Umwelt oder die Schönheit einer Stadt. Ziel der StVO ist die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Autoverkehrs.
Daran darf man im Grunde nicht rühren. Klagen von Bestandsbewahrern haben in der Regel Erfolg. Es sei denn, man kann viele Unfälle und eine konkrete Gefahr nachweisen – was eigentlich niemand als Argument möchte. Erst dann ist eine Veränderung zugunsten des nicht motorisierten Verkehrs möglich. Auch die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ist zu belegen. Die Maßnahme darf nicht zu sehr den Autoverkehr belasten.
Dass es aber auch andere rechtliche Möglichkeiten gibt, die den Kommunen das Handeln leichter machen, muss man erst einmal wissen. Dazu braucht man rechtliche Expertise sowie Erfahrungswissen aus anderen Kommunen. Mit der geplanten Novelle des Straßenverkehrsgesetzes im vergangenen Jahr war die Hoffnung verbunden, dass die Kommunen mehr Handlungsspielräume erhalten. Das ist nicht so gekommen. Im Bundesrat ist die Novelle gescheitert.
Somit lohnt sich der Blick auf die anderen rechtlichen Möglichkeiten jenseits der StVO, insbesondere auf die Straßengesetze der Länder. Das dort vorgesehene Verfahren für die Anordnung von Verkehrswendemaßnahmen ist zwar durch die erforderlichen Begründungen aufwendiger, aber dafür am Ende rechtssicherer.
Beim Straßenrecht geht es um das “Ob” der Straßennutzung, also um die Frage, wer die Straße nutzen darf. Die StVO hingegen regelt das “Wie” im Rahmen des Bestehenden. Sind also Autos da, kriegt man sie nur schwer weg. Das ist im Falle des Straßenrechts anders. Kommunen können dort definieren, was sie auf öffentlichem Straßenland haben möchten – und was nicht. Damit haben sie eine echte Handlungsmöglichkeit.
(Dieser Beitrag erschien ebenfalls in unserem Dossier #Antiblockiersystem auf klimareporter.de)
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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Anstatt Gefühle sind es vor allem die Bedürfnisse der Anwohner, die hier eine Rolle spielen. Umfragen, die mit suggestivfragen gespickt und dessen Ergebnis vorherbestimmt scheinen, sollen das ganze legitimieren. Dass dessen dürftige Ergebnisse dann als “breite Unterstützung der Anwohner” zu verkaufen versucht wird, ist eine absolute Frechheit und zeigt, dass es den Durchführenden nur um ihre eigene Sache und nicht um das Wohl der Anwohner geht.