Nehmt den Autos die Parkplätze weg

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Ein Beitrag von Anke Borcherding

 

 

Anke Borcherding ist wissen­schaft­liche Mit­arbeiterin am
Wissen­schafts­zentrum Berlin für Sozial­forschung (WZB).
Sie beschäftigt sich theoretisch und vor allem praktisch
mit Mobilitäts­projekten.

 

 

 


Nehmt den Autos die Parkplätze weg

Das private Auto ist ein fast 50-millionenfaches Problem, oft ein großer Dienstwagen, meist ein Verbrenner für Männer. Weniger wäre besser – gesellschaftlich, politisch, für die Menschen und die Umwelt. Wie kann sich die Autogesellschaft das Auto abgewöhnen?

Über die Jahrzehnte ist viel erfunden, erneuert und verworfen worden, um eine Alternative zum privaten Auto zu etablieren: Carsharing sollte helfen, die Zahl der privaten Pkw zu reduzieren. Bis zu 20 Autos sollte ein Carsharing-Fahrzeug ersetzen.

Carsharing begann als Graswurzel-Projekt, wurde professionalisiert von stationsgebundenen Anbietern, ausgerollt von Konzernen mit One-Way-Fahrten und auch mit Elektroantrieb. Doch oftmals wurden vielversprechende Angebote über Nacht wieder eingestellt. Carsharing ist in der Nische geblieben, eine Alternative für alle und alles ist es leider nicht geworden.

Aus der Nische kamen auch andere Alternativen zum privaten Auto nicht heraus: Diverse Mitfahrdienste kamen und gingen. Mitfahrzentralen haben schon in den 1980er-Jahren Fahrten zwischen Autofahrenden und Mitfahrenden vermittelt. Diese Dienste gibt es noch immer und sie decken einen kleinen Bedarf ab.

Schließlich kam die Zeit der großen digitalen Hoffnungen. Per Mobiltelefon, Computer, später per App sollte Mobilität smart werden. Ein Klick und alles ist digital buchbar, nutzbar, bezahlbar. Alles vernetzt. Die Idee war und ist genial. Die Umsetzung sieht leider anders aus. Viele Apps versuchen, sehr viele Angebote zu verknüpfen und scheitern an den Besitzverhältnissen. Jeder Anbieter möchte lieber die eigenen Kunden bei sich behalten.

Praktikable digitale Lösungen sind nicht in Sicht

Auch sind die technischen Hürden doch größer als gedacht. Einfach alles per Schnittstelle zu verbinden, erwies sich als schwierig. Das hat nicht zuletzt viel mit den Eigeninteressen der verschiedenen Mobilitätsanbieter zu tun. Heute haben wir unendlich viele Mobilitäts-Angebote, unendlich viele Mobilitätsoptionen – aber die Qual der Wahl und der richtigen Entscheidung liegt noch immer bei den Nutzenden.

Aktuell die größte Hoffnung ist autonomes oder zumindest automatisiertes Fahren, um den öffentlichen Verkehr und das private Auto durch ein Angebot zu verschmelzen und die Mobilitätsprobleme vor allem auf dem Land zu lösen. Leider ist in Deutschland kein solches Fahrzeug und auch kein System in Sicht.

Die Klimakrise ist längst zu einer Krise vor allem in den Städten geworden. Dort leiden die Menschen besonders unter den Wetterextremen. Gerade die verkehrsbedingten Versiegelungen durch betonierte oder asphaltierte Straßen und Parkplätze führen häufiger zu urbanen Hitzeinseln. Ein Problem, das vielerorts nicht länger verdrängt werden kann.

Allein in Berlin haben wir 1,2 Millionen Parkplätze an öffentlichen Straßen und Plätzen. Großflächige Entsiegelung sollte schnell kommen, der Flächenbedarf für den Autoverkehr radikal sinken.

Autos sind Stehzeuge, sie stehen 23 Stunden am Tag herum. Wenn sie fahren, sind sie auch nicht deutlich voller. Von durchschnittlich fünf Sitzplätzen bleiben fast vier leer. Autos werden auf Reserve vorgehalten, für den Fall, dass doch eine Kiste Bier gefahren werden muss oder das Kind zum Reiten aus der Stadt in die Umgegend.

Für Kommunen bietet sich Parken als Hebel an

Zunehmend wird deutlich: Wir sitzen in der Autofalle, denn wir haben uns alles so gebaut, dass wir gar nicht so einfach aussteigen können. Wir sind das so gewohnt, das Auto, wir kennen Straßen nur mit Autos, wir kennen nur Geschwindigkeit, wir haben die Gesetze so um das Auto konstruiert, dass wir völlig veränderungsunfähig und handlungsunfähig sind. Alles passt zusammen, nichts geht mehr.

Es bietet sich also an, das Parken – den ruhenden Verkehr – als Hebel zu nehmen. Wenn wir uns städtische Quartiere einmal differenziert nach ihrem Alter anschauen, fällt auf: Die Straßen in Quartieren mit vorwiegend älteren Gebäuden, sogenannten Altbauten, sind gar nicht gedacht für parkende Autos.

Die Flächen dort waren vorgesehen für die Zwecke von Gewerbe, öffentliche Mobilität, für Menschen, aber nicht als Parkplatz. Altbauquartiere wurden für das Auto nicht geplant und das Auto passt dort nicht in das Konzept.

Die Perspektive einer klimagerechten Verkehrsstrategie im Bestand ist, dass das parkende Privatauto weitestgehend aus dem öffentlichen Straßenraum verschwindet. Das könnte dann so aussehen: Dieser Platz steht zum Parken nur noch für Menschen mit nachgewiesener Berechtigung zur Verfügung, für Laden und Liefern, für Gewerbe, für soziale Dienste, für geteilte Mobilitätsformen.

Wer privat ein Auto fahren möchte, muss sich einen privaten Parkplatz suchen. Kommunen können dann auch ihre Handlungsspielräume besser nutzen. Die bestehenden gesetzlichen Grundlagen geben ihnen Legitimation und Instrumente in die Hand: Umwidmungen von Parkraum auf der Grundlage der Landesstraßengesetze. Und Bewirtschaftung auf Grundlage der realen Kosten eines Parkplatzes mit digitalisierter Überwachung.

Der Raum, den das Auto verbraucht, zu beschränken, kann über die Wegnahme von Parkplätzen funktionieren.

(Dieser Beitrag erschien ebenfalls in unserem Dossier #Antiblockiersystem auf klimareporter.de)


 

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